Vier Tierbefreiungsaktivist*innen werden in Straubing zu 15 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt!
Am Donnerstag, den 24.10.2013, fand der Prozess gegen vier mutmaßliche Schlachtfabrikblockierer/innen am Amtsgericht Straubing statt. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, sich an einer Blockade der Wiesenhofschlachtfabrik bei Bogen am 9. März diesen Jahres beteiligt zu haben, indem sie sich an mehrere Betonfässer ketteten.
Die Anklagepunkte lauten Hausfriedensbruch, Nötigung und Körperverletzung.
Das Rechtssystem versucht Misstände, wie tagtägliche Ausbeutung und Tötung von Tieren, und legitime Proteste dagegen durch ein Gerichtsverfahren zu kriminalisieren und schützt damit Konzerne wie Wiesenhof, welche ihre wirtschaftliche Interessen über Bedürfnisse von Menschen und Tieren stellen. Dies wollten die vier Angeklagten und das Bündnis MASTANLAGEN WIDERSTAND in dem gestrigen Prozess unter anderem zur Sprache bringen, da sie sich klar gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Hierarchien stellen.
Die öffentliche Verhandlung wurde auf 13.30 Uhr angesetzt, doch bereits vormittags demonstrierten circa 40 Unterstützer/innen vor Ort.
Mit einem Infostand und Bildern von der Blockade klärten sie Passant/innen und Interessierte über das Geschehen auf und verteilten
veganen Kuchen – das Motto: „Gerichte sind zum Essen da“.
Eine Person, als Huhn verkleidet, kletterte einen Laternenpfahl empor und hielt während des ganzen Prozesses ein Transparent mit der Aufschrift „Lasst sie frei“.
Aufgrund sehr penibler Durchsuchungskontrollen – trotz einer lange Warteschlange im Eingangsbereich des Gebäudes –, denen sich sowohl
Besucher/innen, als auch Pressevertreter/innen unterziehen mussten, kam es zu massiven Zeitverzögerungen. Dadurch konnte die Verhandlung erst 90 Minuten später als angesetzt beginnen. Obwohl im Vorfeld klar war, dass das öffentliche Interesse an dem Gerichtsprozess groß werden würde, fehlte es dem Amtsgericht am Tag scheinbar an ausreichend Personal. Auch der der Einlass wurde erst 15 Minuten vor Prozessbeginn eröffnet.
Kurz nach Beginn plädierten die vier Angeklagten auf Befangenheit des Richters. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass der Richter schon die Strafbefehle unterzeichnet und damit die Angeklagten ohne Anhörung vorverurteilt hat. Dies wies Richter Lienhart Huber, der die Verhandlung führte, jedoch zurück. Die Voreingenommenheit gegen die Angeklagten zeigte sich aber auch dadurch deutlich, dass gleich in Folge, die durch die Aktivist/innen beantragten Laienverteidiger/innen nicht genehmigt wurden.
Als schließlich eine Angeklagte wider der richterlichen Untersagung das Wort ergriff, um einen Befangenheitsantrag zu stellen, eskalierte die Situation im Saal. Richter Huber ließ den gesamten Zuschauerraum und die Angeklagten unter Ankündigung von Ordnungshaft für alle Anwesenden, außgenommen der Pressevetreterinnen, polizeilich räumen. Die vier Angeklagten und ein Zuschauer wurden daraufhin tatsächlich in Ordnungshaft gebracht.
„Wir wurden von den Polizist/innen misshandelt, sie haben uns die Handgelenke verdreht, an den Haaren gezogen und uns mit Schmerzgriffen in die Zelle gebracht. Dort wurden wir vor männlichen Polizisten untersucht. Ich habe Schmerzen und bin mit den Nerven am Ende. Ich fühlte mich nicht mehr verhandlungsfähig.“ , berichtete eine angeklagte Aktivistin später.
Trotzdem wurde die Verhandlung nun unter Auschluss der Angeklagten und der Zuschauer/innen fortgesetzt. Nach 90 Minuten wurden die Beschuldigten wieder in den Gerichtssaal geführt und versuchten erneut Einspruch gegen das richtlerliche Verhalten zu erheben. Die Reaktion des Richters Huber bestand darin nach kurzer Zeit eine erneute Ordnungshaft gegen die Angeklagten zu verhängen.
Die Beweisaufnahme fand demnach in Abwesenheit der Angeklagten statt.
Diese hatten weder Möglichkeit sich selbst zur Sache zu äußern, noch die geladenen Zeug/innen zu befragen.
Erst nach dem Prozessende wurden die Inhaftierten wieder frei gelassen.
Das Gerichtsurteil erfuhren sie von Pressevertreter/innen, die den Prozess bis zum Ende verfolgt hatten. Von Seiten des Gerichts wurde ihnen die Auskunft darüber verwehrt.
Die vier Beschuldigten wurden zu 15 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt. Unklar für die vier Aktivist/innen ist bis jetzt, inwiefern alle entlastenen Indizien zur Sprache kamen. Für sie und die solidarischen Unterstüzter/innen sind die Vorwürfe weiterhin haltlos.
„Wiesenhof ist eine Firma, die täglich so viele Lebewesen ausbeutet, sie ist für den Tod von so vielen Lebewesen verantwortlich, dort passieren so
grauenvolle Dinge, die Ausbeutung von Tieren, Menschen und der Umwelt. Wir sind aber heute diejenigen, die hier stehen, die angeklagt sind vor Gericht, das kommt mir total seltsam vor, über was wird da eigentlich geredet?!“ , so eine der Anklagten.
Die Tierrechtsaktivist/innen wollen sich von Repressionenl nicht einschüchtern lassen und sehen Widerstand weiterhin als notwendig und legitim an.
Hintergrund:
Am 09. März 2013 blockierten sieben Aktivist_innen und zwei Dutzend Unterstützer_innen des Aktionsbündnisses MASTANLAGEN WIDERSTAND für circa sechs Stunden Wiesenhofs Schlachtfabrik in Bogen (Landkreis Straubing-Bogen). Einige der Tierbefreiungsaktiven blockierten zwei Eingangstore und eine Feuerwehrzufahrt, indem sie sich mit Bügelschlößern an ein Tor ketteten und in Betonfässern festgekettet vor die Einfahrt legten.
Eine weitere Aktivistin erkletterte ein mehrere Meter hohes Tripod – ein Metalldreibein – direkt vor dem Hauptzufahrtstor der Schlachtfabrik.
„In ganz Deutschland sollen in Zukunft über 800 Hühnermastanlagen gebaut werden oder befinden sich bereits im Bau. Damit will Wiesenhof seinen Status als führender Geflügelkonzern aufrecht erhalten und produziert eine wirtschaftliche Verdrängung anderer Unternehmen. Weil Tiere, Menschen und Umwelt in diesem vom Markt gesteuerten System keinen Platz haben, wird keine Rücksicht auf das Leben von Individuen und deren Bedürfnisse genommen.
Einer der Kritikpunkte der Aktion ist Wiesenhofs Handeln, durch das möglichst viele Tiere innerhalb kürzester Zeit im Akkord geschlachtet werden. Im Schnitt werden so in einer Mastanlage 40.000 Hühner innerhalb von 40 Tagen unter unwürdigen Bedingungen gemästet, dann zur Schlachtfabrik transportiert, um dort für Menschen konsumierbar gemacht zu werden.
Gleichzeitig wird immer wieder versucht, Tierhaltung mit Tierschutzrichtlinien, Tierschutzlabeln oder professionellen Marketingstrukturen zu legitimieren und zu beschönigen. Die vielen Skandale um Wiesenhof innerhalb der letzten zwei Jahre zeigen dagegen, dass Tierquälerei an der Tagesordnung ist und jegliche Tierhaltung Lebewesen zu Objekten, zu Produkten, degradiert. Außerdem sind weitere Auswirkungen der Tierhaltung, wie Klimawandel, Belastung der Umwelt vor Ort und die Ausbeutung der Arbeitskräfte in Schlachtbetrieben, ebenso in höchstem Maße problematisch.“,
begründeten die Aktivist_innen in einer Pressemitteilung die Aktion.
Dieser Aktion folgten im Laufe des Sommers noch viele weitere.
So versuchten am 09. Juli rund 30 Aktivist_innen vom „Aktionsbündnis für Tierbefreiung“ die Mega-Schlachtfabrik in Wietze bei Celle zu blockieren. Zudem konnten am 12. Juli mehrere Fleischtransporter vor der Wiesenhofschlachtfabrik in Wietzen/Holte für ca. 7 Stunden blockiert werden. Doch auch weniger spektakuläre Aktionen, wie beispielsweise das Aufhängen von Plakaten und Transparenten in Orten, in denen Mastanlagen gebaut werden sollen, zeigen, dass es kein ruhiges Hinterland für Konzerne wie Wiesenhof gibt.
Bis jeder Käfig leer ist! / Until every cage is empty!
*Wenn du vorhast, den Prozesstermin der vier Angeklagten zu begleiten, aber dein Anreiseweg zu weit ist, organisieren wir Schlafplätze, wenn du uns schnellstmöglichst an mastanlagenwiderstand@riseup.net schreibst!
Infos:
http://mastanlagenwiderstand.blogsport.de/